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Erstellt am 6. Dezember 2013

Weihnachtsmänner gegen rechts!

Bochum, am 2. Dezember 2013. Eine Gruppe von Weihnachtsmännern dringt in einen Hörsaal der Ruhr-Universität ein und stört eine Vorlesung. Sie tut es nicht zum Spaß. Sie hat ein Anliegen, und mit diesem Anliegen ist es ihr ernst. Doch ernste Anliegen und lustige Zipfelmützen passen wohl nicht zusammen.          

Hinterher wird die Gruppe selbst zugeben, daß es ein Fehler war. Die Gruppe besteht aus etwa zwanzig Antifaschisten, und in der Vorlesung sitzt ein Rechtsradikaler. Und der Rechtsradikale ist das, worum es den Antifaschisten eigentlich geht. Die Gruppe will ihn bloßstellen. Sie will mit dem Finger auf ihn zeigen, sie will Flugblätter über ihn verteilen, und sie will eine Erklärung über ihn verlesen. Sie will ihn vor seinem Professor und seinen zweihundert Kommillitonen als Rechtsradikalen outen. Die Weihnachtsmannverkleidung ist eigentlich nur Spielerei. Sie soll das Outing nur etwas auflockern. Bewirkt aber hat sie eher das Gegenteil.

Vorlesungsstörungen kommen an einer Universität vor, und für gewöhnlich kann ein Professor mit ihnen umgehen. Es gibt ungeschriebene Spielregeln. Für gewöhnlich fassen die Störer sich kurz, und für gewöhnlich läßt ein Professor sie gewähren. Für gewöhnlich aber treten die Störer auch nicht als Weihnachtsmänner auf. Für den Professor in Bochum war offenbar eine Grenze überschritten. Er wurde ungehalten, und er fuhr dazwischen.

Der Professor, ein Jurist, fuhr nicht zur Verteidigung des Rechtsradikalen dazwischen, sondern zur Verteidigung seiner Lehrveranstaltung. Er forderte die Störer mit lauter Stimme auf, den Saal zu verlassen. Er störte die Störung. Er stürmte auf den Sprecher der Antifaschisten zu und hinderte ihn am Sprechen. Antifaschisten kamen ihrem Sprecher zu Hilfe, Studenten ihrem Professor. Und mit einemmal schlug die Lehrveranstaltung in ein Handgemenge um, wie man nicht oft eines sieht. Eine Gruppe Jurastudenten raufte sich mit einer Gruppe antifaschistischer Weihnachtsmänner.

Jemand schlug den Professor. Jemand rief die Polizei. Die Antifaschisten mußten fliehen. Vier von ihnen flohen ausgerechnet auf den Bochumer Weihnachtsmarkt und wurden dort gefaßt. Der Professor wurde leicht verletzt, konnte die Vorlesung aber fortführen. Nach Ende der Vorlesung hat er natürlich Anzeige erstattet. Und der polizeiliche Staatsschutz ermittelt nun gegen die Störer wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Nötigung.1

Und von allen Seiten gibt es jetzt Kritik. Am Pranger steht im Ergebnis nicht der Rechtsradikale, am Pranger stehen die Antifaschisten. Die Presse hat die Aktion verurteilt, die Universitätsleitung hat sie verurteilt, und sogar linke Hochschulgruppen distanzieren sich.2 Es versteht sich, daß die Antifaschisten die Kritik in der Hauptsache zurückweisen. Aber selbst sie räumen ein, daß sie das mit der Weihnachtsmannverkleidung wohl besser gelassen hätten.3

Rechtsradikale gehören nicht in den Hörsaal, gewiß. Aber Weihnachtsmänner halt ebensowenig.

  1. Kristina Räß, Tumult im Vorlesungsraum – fünf Personen leicht verletzt, Polizei Bochum / Pressestelle, 03. Dezember 2013
  2. Juso-Hochschulgruppe Bochum, Die RUB ist bunt — Scheiße ist schon braun genug!, die-reklamation.com, 05. Dezember 2013
  3. RUB ohne Nazis, Richtigstellung: Eskalation ging von Professor aus, naziouting.noblogs.org, 05. Dezember 2013