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Erstellt am 22. November 2013

Sind Lebkuchenmänner rassistisch?

Stockholm, am 18. November 2013. Eine Kaufhauskette bittet um Entschuldigung. Es geht um ihren Weihnachtskatalog. Die Kaufhauskette heißt Åhléns, und sie ist nicht irgendeine Kaufhauskette, sondern die größte in Schweden überhaupt. Und sie bittet um Entschuldigung dafür, daß der Katalog eine anstößige Abbildung enthält.       

Die Abbildung findet sich auf Katalogseite 87, und sie zeigt zwei Lebkuchenmänner. Die Abbildung ist klein, gerade mal briefmarkengroß, und man muß schon genau hinschauen, um zu erkennen, daß die Lebkuchenmänner nicht echt sind, sondern aus Bügelperlen gebastelt. Und man muß noch genauer hinschauen, um zu verstehen, was die Kaufhauskette überhaupt meint.

Mit Lebkuchenmännern muß man in Schweden vorsichtig sein. Bereits ein gewöhnlicher Lebkuchenmann hat Merkmale, die nicht mehr jedem gefallen. Er ist dunkel, er hat dicke Lippen, und er hat weiße Kulleraugen. Er könnte, so lautet der Verdacht, auch eine Art Spottbild sein, ein Spottbild auf Schwarze, versteht sich. Es ist zwar bislang nur ein vager Verdacht, und er wird auch nur von wenigen geteilt. Die Mehrheit der Schweden hält Lebkuchenmänner für harmlos. Die Mehrheit der Schweden hält sie mitnichten für rassistisch. Aber vorsichtig muß man eben trotzdem sein, und die Kaufhauskette Åhléns war es nicht.

Das Anstößige auf Katalogseite 87 sind die Einzelheiten. Wo gewöhnliche Lebkuchenmänner nur braun sind, sind die auf Seite 87 sogar schwarz. Wo gewöhnliche Lebkuchenmänner nur dicke Lippen und weiße Kulleraugen haben, haben die auf Seite 87 sogar noch krauses Haar und tragen Dienstbotentracht. Die Kaufhauskette kann sich im nachhinein selbst nicht erklären, wie es dazu kommen konnte, aber fest steht: Die beiden Lebkuchenmänner sind politisch so inkorrekt, wie Lebkuchenmänner aus Bügelperlen es nur sein können.

ahrens weihnachtskatalog 87

Eine Mitarbeiterin war es schließlich, die es entdeckte, zum Kummer von Åhléns freilich erst dann, als die ersten 650.000 Exemplare des Katalogs bereits verschickt waren. Immerhin hat die Firmenleitung schnell reagiert. Kaum, daß die Mitarbeiterin ihre Entdeckung gemeldet hatte, wurde die weitere Auslieferung auch schon gestoppt. Und mehr noch: Die Kaufhauskette erstattete gewissermaßen Selbstanzeige. Sie ging von sich aus an die Öffentlichkeit. Sie bat und bittet alle diejenigen, die durch die Abbildung verletzt wurden, um Entschuldigung. Sie bekennt sich ausdrücklich zur gesellschaftlichen Vielfalt. Und sie läßt aus Hunderttausenden von weiteren Exemplaren, die bereits gedruckt, aber noch nicht ausgeliefert sind, in diesen Tagen die anstößige Seite entfernen.1

Sind Lebkuchenmänner rassistisch? – Diejenigen, die es schon immer gesagt haben, dürften sich jedenfalls bestätigt sehen. Die beiden Lebkuchenmänner auf Seite 87 waren zwar nur aus Bügelperlen, doch sie drückten das, worum es geht, sogar noch besser aus, als ein richtiger Lebkuchenmann es je gekonnt hätte. In der Beweiskette zwischen Lebkuchenmann und Rassismus sind sie sozusagen das fehlende Glied, nach dem die Lebkuchenmanngegner immer gesucht haben.

Und auf den schwedischen Lebkuchenmann kommen womöglich schwere Zeiten zu.

  1. Dante Thomsen, Åhlens drar tillbaka julkatalogen – innehåller nidbilder av svarta, Dagens Nyheter, 20. November 2013