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Erstellt am 18. Juli 2013

Greift Glühwein das Gehirn an?

Würzburg, am 14. Dezember 2012. Zwei Männer gehen über den Weihnachtsmarkt und werden plötzlich angehalten. Eine Polizeistreife bittet sie, sich auszuweisen. Die Männer sollen eine Straftat begangen haben, vor wenigen Minuten erst, und zwar in der nahegelegenen Marienkapelle. Der Name der Straftat lautet: Störung des Religionsfriedens. Eine Zeugin hat die Männer dabei beobachtet, wie sie sich in den Altarraum stellten, den Hosenstall öffneten und ihr Wasser abschlugen.    

Die Männer kommen aus Zella-Mehlis in Thüringen, und sie sind 32 und 28 Jahre alt. Sie weisen sich aus, doch sie tun es nur unter Protest. Vor allem der Ältere weiß kaum, wie ihm geschieht. Er weiß nichts von einem Altarraum. Er kann sich nicht daran erinnern, die Marienkapelle auch nur betreten zu haben. Es muß sich um eine Verwechslung handeln! – Die Männer sind empört, und vor lauter Empörung beginnen sie, im Beisein der Polizisten nun auch noch vorbeikommende Passanten anzupöbeln.

Die Polizisten sind milde gestimmt. Sie begnügen sich mit einer strengen Ermahnung und lassen die Männer weiterziehen. Die Männer ziehen in Richtung Bahnhof weiter; von Würzburg, vom Würzburger Weihnachtsmarkt und vor allem auch vom Glühwein haben sie vorläufig genug. Sie sind betrunken. Sie müssen sich erst einmal beruhigen. Doch bevor sie sich beruhigen können, erblicken sie bereits die nächste Polizeistreife. Und vor allem der Ältere gerät nun vollends außer sich. Er fordert die Streife heraus. Er beschimpft sie und zeigt ihr den Stinkefinger. Er muß in Gewahrsam genommen und aufs Revier gebracht werden. Man unterzieht ihn einem Alkoholtest, und diesem Test zufolge hat er 1,34 Promille Alkohol im Blut.

Der Jüngere ist unterdessen alleine weiter zum Bahnhof gegangen, und dorthin bringen die Polizeibeamten den Älteren schließlich auch. Sie wollen ihn wieder loswerden. Mittlerweile hat er nicht weniger als sechs verschiedene Beamte beschimpft und beleidigt. Der Jüngere nimmt den Älteren am Bahnhof in Empfang, beide wollen jetzt nur noch heim, und also setzen sie sich in den Regionalexpress nach Erfurt. Sie könnten jetzt eigentlich bis Zella-Mehlis durchfahren. Aber schon auf halbem Weg, in Bad Neustadt, bekommen sie es wieder mit der Polizei zu tun. Sie werden aus dem Zug geholt, weil sie sich keine Fahrscheine gekauft und überdies im Zug geraucht haben. Und während der Jüngere seine Heimfahrt mit einem späteren Zug noch fortsetzen darf, endet der Ausflug zum Weihnachtsmarkt in Würzburg für den Älteren in einer Ausnüchterungszelle in Bad Neustadt.1

Ein paar Wochen später kommen aus Würzburg dann natürlich noch die Strafbefehle. 1500 Euro wegen Störung des Religionsfriedens soll der Jüngere bezahlen, 2700 Euro wegen Störung des Religionsfriedens plus sechsfacher Beleidigung der Ältere. Und während der Jüngere auf der Stelle bezahlt, streitet der Ältere noch immer alles ab. Er hat in keine Kirche gepinkelt. Er hat keinen Polizisten beschimpft. Er legt Einspruch gegen seinen Strafbefehl ein, und am 17. Juli ist er zur Hauptverhandlung sogar eigens wieder nach Würzburg gefahren.

Er ist freilich umsonst gefahren. Er hat nicht bedacht, wie teuer erst eine ordentlich durchgeführte Hauptverhandlung für ihn werden könnte. Man hat es ihm also gleich zur Eröffnung der Verhandlung erklärt, und er hat es sich nur angehört und seinen Einspruch sofort wieder zurückgezogen.2

Greift Glühwein das Gehirn an? Es kommt offenbar drauf an. Das Gehirn des Jüngeren scheint nur vorübergehend Schaden genommen zu haben, das des Älteren dagegen auf Dauer.